Texte über Zdzisław Wysocki
PROGRAMMTEXT für WYSOCKI 75+75 am 1.Oktober 2019 im RKH des ORF Wien (René Staar & Dieter Flury)
Wer in der gegenwärtigen Mediengesellschaft zu Wort kommen will, muss laut und schnell sein. Schwierig ist es für eine zurückhaltende und lange überlegende Persönlichkeit wie Zdzislaw Wysocki, denn er macht keinerlei Versuch, durch überbordende Spontaneität und Schauspielkunst die Öffentlichkeit von sich und für sich einzunehmen.
Dabei sprechen seine Werke eine unmittelbare, zuweilen sogar hypnotisch wirkende Sprache : dramaturgisch klug konzipiert, emotional packend, rhythmisch scharf gegliedert überzeugen seine Werke durch eine aufwühlende Kühnheit, die ihn in der Nachfolge von Witold Lutoslawski fest verankert – obzwar er auch seine innere Beziehung zu Bach, der Wiener Klassik (das heute aufgeführte Capriccio per J. Haydn zeugt davon) und der 2. Wiener Schule nicht verleugnen kann.
Wysocki hat sehr oft die Intimität kammermusikalischer Besetzungen in phantasiereichsten Kombinationen gewählt.
Zwei seiner schönsten Kammermusikstücke erklingen heute, das viersätzige Trio für Flöte, Viola und Harfe Op. 57, geschrieben in seiner produktivsten Zeit (1996) und die 2012 geschriebene „Sonatina quasi una Fantasia“, Op. 75, für Bratsche und Klavier. Doch lässt sich Wysocki nicht einfach als Kammermusikkomponist einordnen, denn in der langen Reihe seiner bislang 119 „Etüden“, wie er diese funkelnden Miniaturen nennt, gibt es eine derartige Vielfalt an Besetzungen vom Solo über Vokalmusik bis hin zum großen Orchesterstück – jedes Stück sozusagen „en miniature“ -, dass es den Rahmen der Kammermusik in jedem Bereich sprengt. Bei den „Etüden“ beschränkt sich das Programm des heutigen Abends auf Solo-, Duo- und Triobesetzungen und gibt dennoch einen Eindruck von der Farbenvielfalt dieser Miniaturen.
Mit einer Papstmesse für Johannes Paul II ist Wysocki Mitte der 80er Jahre international bekannt geworden. In seinem eindrücklichsten Vokalwerk „De finibus temporum“, das Texte in vier verschiedenen Sprachen vertont, beschäftigte sich Wysocki bereits 1993/94 mit der Umweltzerstörung. Dagegen zeigt das heute uraufgeführte Werk „Seltsame Sachen“ den Komponisten von einer ganz neuen Seite. Mit reduzierten Mitteln entdeckt Wysocki hier seinen Sinn für Skurrilität und Humor, die Auswahl der Texte von Enzensberger, Jandl, Beckett und Grass ist in Zusammenarbeit mit Sylvie Rohrer entstanden.
Aber auch die bemerkenswerten Resultate seines Schaffens im Bereich des Instrumentalkonzertes (zuletzt ein Cellokonzert) erweitern die Palette der Werke beträchtlich. Wysocki ist immer an ungewöhnlichen Klangstrukturen und Ideen interessiert, er liebt das Experiment mit Klangfarben, aber auch den ungewöhnlichen Einsatz bekannter Instrumente. So darf es nicht wundern, dass er der Bitte Tamás Vargas mit Begeisterung nachgekommen ist, 2016 eine „Fantasia Scordatura“ für Violoncello solo in der ungewöhnlichen Saitenstimmung H‘-Fis-d-a (anstelle der gewohnten Quintenstimmung C-G-d-a) zu schreiben, die durch Zoltán Kodálys Solosonate berühmt geworden ist.
René Staar & Dieter Flury
Recent message from KENT NAGANO:
In 2002 I became acquainted with the composer, Zdzislaw Wysocki, and his music through colleagues of the Vienna Philharmonic who were enthusiastic supporters of his work.
As a result, upon my recommendation, Mr. Wysocki was commissioned by the Berkeley Symphony Orchestra for a double concerto for 2 violins and orchestra. The work was exceptionally successful and still provokes strong memories of the enthusiasm with which the Californian audience received it.
Mr. Wysocki’s work emerges within a strong European movement of approaching formerly antagonistic cultures of the cold war era. Born in Poland and living in Austria for the last 45 years Zdzislaw Wysocki expresses in his works the hopes and expectations of a generation of a change in Europe, the generation born during and after the Second world war.
Recently, when asked to join the Board of Councillors of their Zdzislaw Wysocki Society I agreed to join my colleagues in order to help make Mr. Zdislaw’s compositional work better known and more easily accessible to musicians and the public internationally.
In addition, may I add my Happy Birthday wishes to you, Zdzislaw. May it be the first of many more that will continue to provoke your creative imagination, and shared music-making.
Kent Nagano
René STAAR about Zdzisław WYSOCKI
Wysocki´s works have been performed widely in Europa by the Ensemble Wiener Collage and its artistic director Rene´ Staar : at the Salzburg Festival in 2003, the Kölner Philharmonie in 2000, the Festival „Stars of the While Nights“ in 2007, at the Wiener Konzerthaus in 1996, and at numerous other occasions. His work „Double Concerto“ has been premiered by Kent Nagano in San Francisco in 2002, his three orchestra Etudes (Nr. 99-101) was premiered in February 2014 by the McGill Symphony Orchestra, Montreal under the baton of Alexis Hauser. Numerous commissions by Ensemble Wiener Collage.
His work melts elements of the 2nd Vienna School and the Polish Avantgarde, namely Witold Lutosawski, into a very own musical language, in which segments of rhythmical impact and freedom of expression create new forms of interaction. While his work seems to be intellectually conceived, it surprises the public and reviewers with its great spectrum of different ideas and instrumental colors, which he permanently develops further especially in his Etudes. This big collection of differentiated pieces has become a centerpiece of Wysocki´s output over the years and is an example of the development of Wysocki’s style. Once apostrophes as Miniature Dramolets, the Etudes present an ideal counterpart to Wysockiy´s bigger pieces, such as his Double Concerto or the recently written Cello Concerto.
René Staar
Freunde und Förderer des kompositorischen Werkes von Zdzisław Wysocki
Society of Friends and Patrons of the Compositional Works of Zdzisław Wysocky
2019: 75th Birthday Celebrations
WYSOCKI 75+75 mit Uraufführung am 1.Oktober im RadioKulturhaus
Vor Ende des Zweiten Weltkrieges in Polen geboren, aufgewachsen in Posen als Sohn eines Cellisten, als 25-Jähriger mit einem Kompositionsstipendium 1969 nach Wien übersiedelt, wo er Wurzeln schlägt, geprägt sind Person und Schaffen des Komponisten Zdzisław Wysocki von den Umbrüchen der Europäischen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Sensibel wie ein Seismograph reagiert Wysocki, sucht und findet seinen eigenen Weg zwischen Polnischer Moderne und Zweiter Wiener Schule, „Elegia 1943“, „Musik der kollektiven Erinnerung“, „De Finibus Temporum“, Werke welche Zeitfragen reflektieren, daneben eine Vielzahl von musikalischen Miniaturen in verschiedensten Besetzungen, Wysocki nennt sie Etüden, Thomas.Daniel Schlee bezeichnet sie als „Minidramolette“. Freunde aus den Kreisen der Wiener Philharmoniker und des Ensemble Wiener Collage die Wysocki-Society gegründet mit dem Ziel, Wysockis Schaffen mehr von der Aufmerksamkeit zu verschaffen, die es verdient. Am 1.Oktober, dem Weltmusiktag 2019, wird Wysocki 75 Jahre und 75 Tage alt. Seine Freunde feiern ihn im ORF Radio Kulturhaus. Sein Geschenk: ein neues Werk, das mit der Burgschauspielerin Sylvie Rohrer konzipiert und uraufgeführt wird.
Wysocki Society